Votum der Jury:
Der Flughafen Berlin-Tegel, ab 1965 geplant und 1974 eingeweiht, dient seit Jahrzehnten als Musterbeispiel für den Start einer nahezu einzigartigen Architektenkarriere. Tegel hat das kollektive Narrativ der Architektenschaft um die unsterbliche Anekdote bereichert, wie seine jungen, frisch diplomierten Architekten einer Besucherdelegation, die sie irrtümlich für Vertreter des Bauherrn hielten, ein potemkinsches Büro vorgegaukelt haben.
In einem Zusammentreffen glücklicher Umstände stellt sich der Flughafen in mehrfacher Hinsicht als einzigartig dar: Einem bislang unbekannten Büro ist es damals gelungen, einen Wettbewerbsgewinn auch tatsächlich ohne Abstriche des ursprünglichen Konzepts zu bauen. Dies wäre heute undenkbar. Neben Schneider-Eslebens nahezu zeitgleichem Flughafen Köln / Bonn war Tegel beispielgebend für eine ganze Generation von Flughäfen weltweit. Beim „Flughafen der kurzen Wege“ steht der Flug- gast im Mittelpunkt. Auch dies wäre heute wegen der veränderten Sicherheitsanforderungen, vor allem aber wegen der „Vermallung“ des Flughafenwesens nicht mehr baubar.
Obschon formal als Kind seiner Zeit erkennbar, steht Tegel für Zurückhaltung der Gestaltung und Zweckdienlichkeit, ja Genialität seiner Konzeption. Das formale Motiv des Sechsecks zog sich ursprünglich von der Bodenfliese bis zur städtebaulichen Großform des Terminalgebäudes. Zum großen Leidwesen der Architekten wurde das in der Konzeption angelegte zweite Sechseck niemals gebaut, stattdessen wurden banale Provisorien angelagert, welche die Dominanz und Markanz des Hauptterminals jedoch nicht gefährden können.
Tegel hat sich trotz drastisch gestiegener Fluggastzahlen seit über vierzig Jahren hervorragend bewährt. Damit erfüllt der Flughafen Berlin-Tegel den zentralen Gedanken der „Klassik-Nike“ in kongenialer Weise.